Meine WG: Tequila-Lisa

Wenn meine MitbewohnerInnen gerade nicht zu Hause sind, dann kommen oft deren Freunde vorbei, um sich für ein paar Tage bei uns im Haus einzunisten. Warum? Weil es schön ist bei uns. Deshalb war in den letzten Tagen auch Lisa da.
Lisa kommt aus Oberbayern, ist überzeugte Oberbayerin und lebt Oberbayern. Wenn sie nicht gerade einfach nur Lisa ist, dann arbeitet sie in Festzelten und trägt locker 10 Maß zum nächsten Tisch. Lisa spricht aus, was sie noch denken wird und bringt durch ihre forsche Art schnell Menschen zum Reden und Trinken, was unserer gestrigen Couchsurferin sehr gelegen kam. Da nur wenig Bier da war, wurde auch bald zum Tequila gegriffen.
Nach dem ersten Schluck musste ich feststellen, dass es nicht mein Abend werden sollte und so verabschiedete ich mich bald ins Bett – ohne zu wissen, dass ich schon sehr bald wieder aufwachen würde.
Ich weiß nicht, wie und wann man im Schlaf bemerkt, dass vor dem Bett eine Gestalt steht, aber ich habe schnell gemerkt, dass sie etwas schwankte.
„Hallo Andy“, sagte die dunkle Gestalt mit Lisas Stimme, „ich habe mich gefragt, ob du vielleicht mit mir schlafen willst?“
Meine Antwort war relativ eindeutig, denn ich musste vor Schreck laut schreien.
„Okay, schade“, sagte Lisa und ging wieder raus. Ich hörte noch, wie sie im Treppenhaus sagte: „Mist, er will nicht....und geschrien hat er auch!“
Mutig, dachte ich mir noch, schlief langsam wieder ein, bevor ich Lisa zum zweiten Mal aus meinem Zimmer warf. Diesmal ließ ich sie gar nicht erst zu Wort kommen und wies sie darauf hin, dass meine Zimmertür zu ist und bleibt.
Es war Mittag und ich saß schon beim zweiten Frühstück, als Lisa sichtbar verkatert in die Küche kam und sich sehr peinlich berührt sofort bei mir entschuldigte.
„Tut mir so leid, Andy! Ich war heute nacht irgendwie überzeugt, dass du mit mir schlafen willst, aber ich glaube, du wolltest überhaupt nicht!“
Nein, wollte ich nicht.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, Lisa über jeden meiner Schritte mitzuteilen: „Ich gehe jetzt in die Küche und trinke Kaffee. Die Tür ist AUF, du darfst das Zimmer also betreten“ und „Ich gehe jetzt in mein Zimmer und mache die Tür ZU, was soviel heißt, ich möchte nicht gestört werden!“
Lisa nahm es mit Humor und einem „Jajaja, schon guuuut....“
Ich hätte das gerne auch am Folgetag noch so weitergemacht, aber Lisa hat sich heute Abend verabschiedet, nicht ohne mir vorher noch triumphierend ihren Zettel zu zeigen, der am Beutel ihres Yogi-Tees hing: „Für jede Tür, die sich schließt, öffnen sich viele andere.“
Mit einem Lachen und neuer Hoffnung verließ sie unser Haus, um sich auf den Heimweg zu machen. Aktuell wohnt Lisa mit drei männlichen Mitbewohnern zusammen.

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