Tag 10 - Schicksal ist eine bitch

Schattenspiele
Schattenspiele

Tag 10. Weiter geht's Richtung Norden. Meine Vorräte sind aufgefüllt, Camillo sitzt entspannt im Hänger hinter mir, ich habe endlich wieder frisch gewaschene Wäsche und die Beine wollen kurbeln. Die Straße vor mir ist leer und mein einziger Gesprächspartner taucht wieder auf: Ich. Langsam bin ich etwas genervt von mir. Mir geht ein Satz nicht mehr aus dem Kopf, den Maja und Stefan vor meiner Abreise zu mir gesagt haben: Ein wenig beneiden sie mich ja schon, dass ich das machen kann, sie sind ja gerade wegen der Kleinen etwas eingeschränkt. Spontan dachte ich mir: Aber genau darum mache ich es doch! Weil bei mir niemand da ist, wegen dem ich zu Hause bleiben müsste. 

Eigentlich verlief mein Beziehungsleben immer vollkommen normal. Man kommt zusammen, redet über die Zukunft, übers Zusammenziehen, über Kinder, übers Miteinander-Älter-Werden. Wann hat mein Leben eigentlich diese Abzweigung eingeschlagen, so dass ich jetzt nicht mit Frau und Kindern zu Hause sitze? Hat Peter aus Dänemark sich etwa in seinem Hobbykeller dazu entschieden, dass er mit Anfang 50 alleine mit seinem selbstgebastelten Roller und Hund zum Nordkap fährt? Fahre ich ihm vielleicht in 10 Jahren hinterher? Und warum gehe ich eigentlich davon aus, dass Peter aus Dänemark Junggeselle ist, vielleicht skyped er ja jeden Abend mit seinen fünf Kindern im Familienchat und alle sagen ihm, wie cool das ist, dass er endlich mal etwas nur für sich macht. 

Auf der anderen Seite der Landstraße rollt mir eine zehnköpfige Reisegruppe auf Einrädern entgegen. Sie tragen Regenjacken und Wanderrucksäcke. Der Jüngste von ihnen ist vielleicht sieben Jahre alt und hat das größte Einrad. Wie kam der da hoch? 

Schicksal ist eine Bitch. Man glaubt immer über sein eigenes Glück bestimmen zu können, in Wirklichkeit kann man ihm nur grob eine Richtung vorgeben - in welche Richtung es dann ausschlägt, liegt nicht alleine in unserer Hand. Ich weiß noch, wie ich vor Jahren glücklich mit meinem Neopren aus einem oberbayerischen See gestiegen bin und wusste, dass ich hier leben und lieben kann. Ein paar Stunden später bin ich völlig paralysiert und als Single wieder nach Hause gefahren - und das auch noch an Halloween. 

Vielleicht schlägt irgendwann meine Abzweigung wieder auf die ursprüngliche Hauptstraße ein. Dann sitze ich als Familienältester am Tischende und meine Enkel fragen mich: "Bist du wirklich mal mit dem Fahrrad zum Nordkap gefahren? Warum hast du nicht den Zug genommen?" 

Neben mir hält ein Volvo, eine ältere Dame kurbelt mit der Hand die Scheibe herunter, ruft mir mit einem Lächeln auf Schwedisch zu, wie schön es doch ist, wenn man den Hund mitnehmen kann und zeigt auf Camillo. Ja, mit dem Hund habe ich Glück gehabt.

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